Ruderalflächen
Wildnis im Niemandsland
 
 
Ruderalflächen, also nicht bzw nicht mehr genutzte Flächen, sind oft ökologisch interessante Lebensräume. Arten, die ursprünglich auf Schotter- und Kiesbänken entlang von Flüssen und an Schutthängen vorkommen, finden hier von Menschen gemachte Ersatzlebensräume. Auch Ackerbegleitarten, für die in der intensiven Landwirtschaft kein Platz mehr ist, besiedeln Ruderalstandorte. Sogar Industriebrachen mit belasteten Böden sind manchmal Lebensräume für Standortspezialisten, zB salzertragende Pflanzen oder schwermetallresistente Arten.
Ruderalfluren bestehen aus spezialisierten und seltenen Pflanzenarten. Besonders in der Großstadt sind Brach- und Ruderalflächen wichtige Rückzugsorte für Wildpflanzen und Tiere.
 
 
Stadtbrachen
 
Stadtbrachen – unverbaute Flächen mitten im Siedlungsraum, die zumindest für einige Zeit sich selbst überlassen sind – entwickeln sich sehr schnell zu naturnahen Freiräumen. Meist handelt es sich um Flächen, deren ursprüngliche Nutzung aufgegeben wurde, zB verlassene Fabrikgelände oder nicht mehr benötigte Bahnareale. Dadurch entstehen:
 
•   Rückzugsräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten im dicht bebauten Stadtgebiet. Stadtbrachen sind erstaunlich artenreiche Lebensräume, in denen mehr verschiedene Pflanzenarten vorkommen als in intensiv land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch die Tierwelt ist vielfältig. Amphibien nutzen flache, sonnige Kleingewässer, Reptilien wärmebegünstigte Stein- und Schutthaufen. Insekten und Vögel profitieren von der Vielfalt an Wildpflanzen, die abwechslungsreiche Nahrung bieten.
 
•   Frei- und Spielräume für Kinder. Im Gegensatz zu gepflegten Parkanlagen gibt es auf Brachflächen keine sorgsam angelegten Blumenbeete und Rasenflächen mit Betretungsverbot. Unkräuter werden nicht bekämpft. Bäume, Sträucher, Kräuter und Kletterpflanzen wuchern wild durcheinander. „Stadtmenschen“ haben hier die Chance, Natur zu erleben. Es gibt keine Verbote, Kinder dürfen auf Bäume klettern, Blumen pflücken und Tiere entdecken.
 
 
Vegetationsabfolge
 
Auf Ruderalflächen und Stadtbrachen haben es Pflanzen nicht einfach: Der Boden ist oft steinig und trocken. Meist ist nur wenig Erde vorhanden, um Wasser zu speichern. Das Angebot an Nährstoffen ist entweder sehr gering oder unausgewogen. Ruderalarten sind an diese Standortverhältnisse angepasst und sogar darauf angewiesen – sie sind meist sehr konkurrenzschwach und können sich nur auf offenen bzw wenig bewachsenen Flächen halten. Sobald der Bewuchs dichter wird, werden die Erstbesiedler von ausdauernden Arten überwachsen und verschwinden wieder. Es herrscht ein Kommen und Gehen, das zu einer typischen Abfolge von Pflanzengemeinschaften führt – ein Prozess, mit dem sich die Wissenschaft im Rahmen der sogenannten Sukzessionsforschung beschäftigt.
 
•   Den Anfang machen ausgesprochen kurzlebige Arten wie Weißer Gänsefuß, Ackersenf oder Klatschmohn, die schnell keimen, wachsen und große Mengen an langlebigen Samen produzieren.
 
•   Nach zwei bis vier Jahren werden sie von längerlebenden, aber meist noch immer ein- bis zweijährigen Arten abgelöst, zB von Königskerze, Natternkopf, Wegdistel oder Einjährigem Berufskraut.
 
•   Darauf folgen im dritten bis fünften Jahr ausdauernde Arten. Auf überdurchschnittlichen, gut nährstoffversorgten Standorten können sich Pflanzen wie Große Brennessel oder Beifuß stark ausbreiten und alles überwuchern. Auf besonders trockenen und mageren Flächen stellen sich dauerhafte Trockenrasen ein.
 
•   Nach fünf bis zehn Jahren, manchmal auch schon früher, kommen die ersten Sträucher auf.
 
•   Nach zehn bis 30 Jahren erobern verschiedene Baumarten die Fläche, ein Wald entwickelt sich.
 
 
Ruderalarten fördern
 
Ruderalfluren sind vielfältige und wertvolle Lebensräume, die durch intensive Raumnutzung und übermäßigen Ordnungssinn immer seltener werden. Maßnahmen zur Förderung von Ruderalarten sind deshalb ein wertvoller Beitrag zum Naturschutz.
 
•   Flächen zur Entwicklung von Ruderalbiotopen schaffen und erhalten.
 
•   Nährstoffarme Standorte, zB an Bahndämmen, Straßen- und Wegrändern, der natürlichen Entwicklung überlassen.
=> mehr zum Thema Eisenbahnlinien
=> mehr zum Thema Damm, Böschung und Wegrand
 
•   Straßenränder naturnah pflegen, auf Pestizideinsatz verzichten.
=> mehr zum Thema Straßenunterhalt ohne Gift
 
•   Wege, Plätze und Einfahrten nicht versiegeln und nur mit Schotter, Rasengittersteinen oder Pflaster befestigen und am Rand und in wenig genutzten Bereichen Wildkrautwachstum zulassen.
=> mehr zum Thema Versiegelung – Entsiegelung
 
•   Auf Betriebsarealen spontanen Bewuchs auf ungenutzten Teilflächen tolerieren.
=> mehr zum Thema Lebensraum Betriebsareal
 
•   Im Garten eine Ecke für Wild- und „Un“kräuter schaffen und sich selbst überlassen.
=> mehr zum Thema Natur im Garten
 
•   Ackerflächen gezielt brach liegen lassen.
 
 
Unterlagen / Links
 
Wiener Umweltanwaltschaft (2005): Am Anfang war die Gstett’n. Wiener Stadtwildnisflächen. Broschüre der Wiener Umweltanwaltschaft, 3. Aufl., 48 S.
F. Rebele & J. Dettmar (1996): Industriebrachen. Ökologie und Management. Praktischer Naturschutz, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 188 S.
WWF Schweiz: Lebendige Trockenstandorte mit Sand, Kies und Schotter. Biodiversität - Handlungsanleitung Privathaushalte, Download pdf (2.027 kb)
S. Tschäppeler, S. Gresch & M. Beutler (2007): Brachland. Urbane Freiflächen neu entdecken. Haupt Verlag, Bern – Stuttgart – Wien, 127 S.
B. Hetzel & T. Moos (2002): Ruderalvegetation – Unkraut vergeht nicht. Merkblätter zum Naturschutz 30, Naturschutz-Zentrum Hessen, Wetzlar, Download pdf (533 kb)
T. Gregor (2002): Pflanzen in der Stadt. NVN/BSH-Merkblatt 66, Download pdf (390 kb)
 
 
letzte Änderung Juli 2008, © UMG
 
   

 
 
Ruderalflächen
Wildnis im Niemandsland
 
Ruderalflächen, also nicht bzw nicht mehr genutzte Flächen, sind oft ökologisch interessante Lebensräume. Arten, die ursprünglich auf Schotter- und Kiesbänken entlang von Flüssen und an Schutthängen vorkommen, finden hier von Menschen gemachte Ersatzlebensräume. Auch Ackerbegleitarten, für die in der intensiven Landwirtschaft kein Platz mehr ist, besiedeln Ruderalstandorte. Sogar Industriebrachen mit belasteten Böden sind manchmal Lebensräume für Standortspezialisten, zB salzertragende Pflanzen oder schwermetallresistente Arten.
Ruderalfluren bestehen aus spezialisierten und seltenen Pflanzenarten. Besonders in der Großstadt sind Brach- und Ruderalflächen wichtige Rückzugsorte für Wildpflanzen und Tiere.
 
 
Stadtbrachen
 
Stadtbrachen – unverbaute Flächen mitten im Siedlungsraum, die zumindest für einige Zeit sich selbst überlassen sind – entwickeln sich sehr schnell zu naturnahen Freiräumen. Meist handelt es sich um Flächen, deren ursprüngliche Nutzung aufgegeben wurde, zB verlassene Fabrikgelände oder nicht mehr benötigte Bahnareale. Dadurch entstehen:
 
•   Rückzugsräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten im dicht bebauten Stadtgebiet. Stadtbrachen sind erstaunlich artenreiche Lebensräume, in denen mehr verschiedene Pflanzenarten vorkommen als in intensiv land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch die Tierwelt ist vielfältig. Amphibien nutzen flache, sonnige Kleingewässer, Reptilien wärmebegünstigte Stein- und Schutthaufen. Insekten und Vögel profitieren von der Vielfalt an Wildpflanzen, die abwechslungsreiche Nahrung bieten.
 
•   Frei- und Spielräume für Kinder. Im Gegensatz zu gepflegten Parkanlagen gibt es auf Brachflächen keine sorgsam angelegten Blumenbeete und Rasenflächen mit Betretungsverbot. Unkräuter werden nicht bekämpft. Bäume, Sträucher, Kräuter und Kletterpflanzen wuchern wild durcheinander. „Stadtmenschen“ haben hier die Chance, Natur zu erleben. Es gibt keine Verbote, Kinder dürfen auf Bäume klettern, Blumen pflücken und Tiere entdecken.
 
 
Vegetationsabfolge
 
Auf Ruderalflächen und Stadtbrachen haben es Pflanzen nicht einfach: Der Boden ist oft steinig und trocken. Meist ist nur wenig Erde vorhanden, um Wasser zu speichern. Das Angebot an Nährstoffen ist entweder sehr gering oder unausgewogen. Ruderalarten sind an diese Standortverhältnisse angepasst und sogar darauf angewiesen – sie sind meist sehr konkurrenzschwach und können sich nur auf offenen bzw wenig bewachsenen Flächen halten. Sobald der Bewuchs dichter wird, werden die Erstbesiedler von ausdauernden Arten überwachsen und verschwinden wieder. Es herrscht ein Kommen und Gehen, das zu einer typischen Abfolge von Pflanzengemeinschaften führt – ein Prozess, mit dem sich die Wissenschaft im Rahmen der sogenannten Sukzessionsforschung beschäftigt.
 
•   Den Anfang machen ausgesprochen kurzlebige Arten wie Weißer Gänsefuß, Ackersenf oder Klatschmohn, die schnell keimen, wachsen und große Mengen an langlebigen Samen produzieren.
 
•   Nach zwei bis vier Jahren werden sie von längerlebenden, aber meist noch immer ein- bis zweijährigen Arten abgelöst, zB von Königskerze, Natternkopf, Wegdistel oder Einjährigem Berufskraut.
 
•   Darauf folgen im dritten bis fünften Jahr ausdauernde Arten. Auf überdurchschnittlichen, gut nährstoffversorgten Standorten können sich Pflanzen wie Große Brennessel oder Beifuß stark ausbreiten und alles überwuchern. Auf besonders trockenen und mageren Flächen stellen sich dauerhafte Trockenrasen ein.
 
•   Nach fünf bis zehn Jahren, manchmal auch schon früher, kommen die ersten Sträucher auf.
 
•   Nach zehn bis 30 Jahren erobern verschiedene Baumarten die Fläche, ein Wald entwickelt sich.
 
 
Ruderalarten fördern
 
Ruderalfluren sind vielfältige und wertvolle Lebensräume, die durch intensive Raumnutzung und übermäßigen Ordnungssinn immer seltener werden. Maßnahmen zur Förderung von Ruderalarten sind deshalb ein wertvoller Beitrag zum Naturschutz.
 
•   Flächen zur Entwicklung von Ruderalbiotopen schaffen und erhalten.
 
•   Nährstoffarme Standorte, zB an Bahndämmen, Straßen- und Wegrändern, der natürlichen Entwicklung überlassen.
=> mehr zum Thema Eisenbahnlinien
=> mehr zum Thema Damm, Böschung und Wegrand
 
•   Straßenränder naturnah pflegen, auf Pestizideinsatz verzichten.
=> mehr zum Thema Straßenunterhalt ohne Gift
 
•   Wege, Plätze und Einfahrten nicht versiegeln und nur mit Schotter, Rasengittersteinen oder Pflaster befestigen und am Rand und in wenig genutzten Bereichen Wildkrautwachstum zulassen.
=> mehr zum Thema Versiegelung – Entsiegelung
 
•   Auf Betriebsarealen spontanen Bewuchs auf ungenutzten Teilflächen tolerieren.
=> mehr zum Thema Lebensraum Betriebsareal
 
•   Im Garten eine Ecke für Wild- und „Un“kräuter schaffen und sich selbst überlassen.
=> mehr zum Thema Natur im Garten
 
•   Ackerflächen gezielt brach liegen lassen.
 
 
Unterlagen / Links
 
Wiener Umweltanwaltschaft (2005): Am Anfang war die Gstett’n. Wiener Stadtwildnisflächen. Broschüre der Wiener Umweltanwaltschaft, 3. Aufl., 48 S.
F. Rebele & J. Dettmar (1996): Industriebrachen. Ökologie und Management. Praktischer Naturschutz, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 188 S.
WWF Schweiz: Lebendige Trockenstandorte mit Sand, Kies und Schotter. Biodiversität - Handlungsanleitung Privathaushalte, Download pdf (2.027 kb)
S. Tschäppeler, S. Gresch & M. Beutler (2007): Brachland. Urbane Freiflächen neu entdecken. Haupt Verlag, Bern – Stuttgart – Wien, 127 S.
B. Hetzel & T. Moos (2002): Ruderalvegetation – Unkraut vergeht nicht. Merkblätter zum Naturschutz 30, Naturschutz-Zentrum Hessen, Wetzlar, Download pdf (533 kb)
T. Gregor (2002): Pflanzen in der Stadt. NVN/BSH-Merkblatt 66, Download pdf (390 kb)  
 

 


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www.naturtipps.com/ruderalflaechen.html
Stand Juli 2008